Tag der Gehirnerschütterung: Richtig reagieren in der Schule

Jährlich findet am 20. Oktober der bundesweite Tag der Gehirnerschütterung statt, um das Bewusstsein für Gehirnerschütterungen, ihre Folgen und die richtige Behandlung zu stärken. Gerade bei Kindern und Jugendlichen gehören sie zu den häufigsten Unfallfolgen und kommen auch im schulischen Kontext häufig vor. Wird eine Gehirnerschütterung richtig erkannt und angemessen behandelt, heilt sie meist folgenlos aus.

Infos zur Pressemitteilung

20.10.2025

Pressekontakt

Christiane Keppeler

Leitung Unternehmens­kommunikation und Marketing
040 7306-1310040 7306-1706 E-Mail

„Eine Gehirnerschütterung ist die leichteste Form eines Schädel-Hirn-Traumas“, erklärt Christina Dethlefsen, Fachärztin im Neurozentrum und dem Concussion (= Gehirnerschütterung) Center am BG Klinikum Hamburg. Verursacht wird sie durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung auf den Kopf, zum Beispiel im Rahmen eines Sturzes, durch Anschlagen des Kopfes oder wenn man etwas gegen den Kopf bekommt, wie beispielsweise einen Ball beim Sport. Ist die Krafteinwirkung dabei intensiv genug, kann es zu Beeinträchtigungen verschiedener Gehirnfunktionen kommen, welche sich in der Regel rasch wieder bessern, jedoch auch längere Zeit anhalten können. In bildgebenden Untersuchungen wie einer Computertomographie (CT) oder einer Magnetresonanztomographie (MRT) sollten bei einer Gehirnerschütterung keine Verletzungen des Hirngewebes sichtbar sein.

Kinder und Jugendliche sind aufgrund verschiedener Faktoren besonders häufig von Gehirnerschütterungen betroffen. Zum einen sind die körperlichen Voraussetzungen andere als bei Erwachsenen: Der Schädelknochen und das Gehirn sind noch nicht vollständig ausgereift. Zudem ist der Kopf im Verhältnis zum Körper größer und die stabilisierende Hals- und Schultermuskulatur ist noch schwächer. „Zum anderen sind insbesondere Kinder und Jugendliche viel in Bewegung, erproben sich körperlich und toben miteinander. Gleichzeitig befinden sich unter anderem die Motorik und Koordination noch in der Entwicklung und auch das Bewusstsein für Gefahren bildet sich erst noch aus,“ sagt Christina Dethlefsen. So kommt es häufiger zu Stürzen und Kollisionen mit Anderen, beispielsweise beim Schulsport. „Dynamische, schnelle Mannschaftsportarten wie etwa Fußball oder auch kontaktfreudige Spiele wie Eishockey und American Football, die hierzulande immer beliebter werden, sind dabei besonders prädestiniert für Kopfverletzungen.“ 

Obwohl Kinder und Jugendliche häufiger betroffen sind, werden Gehirnerschütterungen immer noch zu selten erkannt: „In Schätzungen wird davon ausgegangen, dass bis zu 50 Prozent der Gehirnerschütterungen bei Kindern und Jugendlichen nicht erfasst werden, weil die Betroffenen entweder nicht ärztlich vorgestellt werden oder die Gehirnerschütterung nicht diagnostiziert wird. Entsprechend wichtig sind Aufklärungsaktionen wie der Tag der Gehirnerschütterung am 20. Oktober, um zu informieren, aufzuklären und einfache Hilfsmittel an die Hand zu geben, die helfen, eine Gehirnerschütterung zu erkennen“, so Christina Dethlefsen. 

Eines dieser Hilfsmittel ist der sogenannte K. E. K. S.-Test. Anhand der einzelnen Buchstaben lassen sich die häufigsten körperlichen, emotionalen und kognitiven Beschwerden sowie Schlafstörungen abfragen, um dann angemessen reagieren zu können: 

  • K: Kopfschmerzen
    • (Hat die Person Kopfschmerzen? Ist ihr schwindelig oder übel?)
  • E: Empfindlichkeit
    • (Ist die Person gereizt, überfordert oder besonders schlecht gelaunt?)
  • K: Konzentration
    • (Kann sich die Person schlecht konzentrieren? Fühlt sie sich benebelt oder ist vergesslich?)
  • S: Schlafen
    • (Schläft die Person schlechter als sonst? Ist sie müder oder erschöpfter?)

„Trifft eines oder mehrere der Symptome zu oder fühlt sich die Person nach einer Kopfverletzung in anderer Hinsicht unwohl, sollte eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden,“ sagt Christina Dethlefsen. Eine ärztliche Abklärung sollte sofort erfolgen, wenn die betroffene Person bewusstlos war, Beeinträchtigungen des Bewusstseins und der Orientierung oder Erinnerungslücken bestehen. Auch wenn Übelkeit und Erbrechen auftreten sowie bei anderen neurologischen Symptomen – wie zum Beispiel ein Krampfanfall, eine Beeinträchtigung des Empfindens oder der Kraft an Körperregionen, Doppelbildern sowie Sprechstörungen – sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Wichtig ist dabei zu beachten, dass sich die Symptome auch erst sechs bis 48 Stunden nach dem Unfall zeigen können. „Entsprechend sollten Lehrkräfte und Sportbetreuende die Eltern informieren, dass es eine Kopfverletzung gab, damit diese ihr Kind weiter beobachten können. Sehr hilfreich für die ärztliche Beurteilung ist es ebenfalls, wichtige Punkte festzuhalten wie: wann ist der Unfall erfolgt, wie war der Unfallmechanismus und wie es dem Kind direkt nach dem Unfall und im Verlauf ergangen,“ sagt die Expertin. „Wenn die Symptome erst eher mild waren, sodass keine ärztliche Untersuchung als notwendig erachtet wurde und das Kind dann zunehmende Beschwerden bekommt, beispielsweise sehr schläfrig ist, zunehmend Kopfschmerzen hat oder sich plötzlich übergeben muss, sollte ebenfalls sehr zügig eine ärztliche Vorstellung erfolgen. Wenn Beschwerden länger als ein bis zwei Wochen anhalten ist es ebenfalls empfehlenswert, sich ärztlich vorzustellen und die Beschwerden weiter abklären zu lassen.“

Richtig erkannt ist eine Gehirnerschütterung in den meisten Fällen kein Grund zur Sorge. „In der Regel erholt sich das Gehirn davon wieder vollständig und ohne längerfristig spürbare Folgen. Dafür braucht es jedoch Ruhe und Zeit“, weiß Christina Dethlefsen. „In den Tagen nach der Gehirnerschütterung sollte man sich körperlich und geistig schonen. Das heißt, dass die körperliche Aktivität und ebenfalls der Medienkonsum – also Fernsehen, Social Media, Computer Spiele, Lernen, Lesen oder Musik hören – entsprechend der Beschwerden angepasst werden sollte,“ so die Fachärztin. Zur Beurteilung der Schulfähigkeit und der Wiederaufnahme von Sportaktivitäten dient ein mehrstufiges Zurück-zur-Schule- beziehungsweise Zurück-zum-Sport-Protokoll. Dieses sollte gemeinsam mit der betreuenden Ärztin oder dem betreuenden Arzt, besprochen werden. „Das kann teilweise länger dauern als insbesondere dem betroffenen Kind lieb ist. 30 Prozent der Kinder haben auch noch Wochen nach einer Gehirnerschütterung Beschwerden. Bei fünf Prozent bleiben sie bis zu über einem Jahr,“ weiß die Medizinerin.

Umso wichtiger sind die Prävention und gesundheitliche Aufklärung, denn: „Die beste Gehirnerschütterung ist natürlich die, die nicht passiert“, so Christina Dethlefsen. Um speziell die Aufmerksamkeit für Gehirnerschütterungen im schulischen Kontext zu erhöhen, ist in diesem Jahr das „Concussion Awareness Project“ in den Modellregionen Köln/Bonn, München und Oldenburg gestartet. Kernbestandteil des Pilotprojekts der ZNS-Stiftung und LMU München, das von der GUV Oldenburg und der UK NRW unterstützt wird, ist die Materialbox für den Unterricht. Darin befindet sich anschauliches Lehrmaterial, das über Gehirnerschütterungen, deren Folgen und adäquate Behandlung sowie Präventionsmöglichkeiten aufklärt. Ergänzt wird die Materialbox vom medizinisch fundierten Schulungsprogramm „Train the Teacher“. Darin werden umfassende Kenntnisse im Umgang mit Gehirnerschütterungen vermittelt, um so das Erkennen sowie das Reagieren bei Gehirnerschütterungen zu trainieren. „Als Concussion Center begrüßen wir das Projekt sehr und sind gespannt auf die Erkenntnisse aus den Modellregionen,“ sagt Christina Dethlefsen.