Mit einer Roboter­hand zurück ins Leben

Eine Patientin des BG Klinikums Duisburg mit Handprothese arbeitet wieder als OP-Schwester.

Am 9. November 2017 gegen 20:30 Uhr veränderte sich das Leben von Britta Meinecke-Allekotte von einer Sekunde auf die nächste. Die leitende OP-Schwester in einer Praxis­klinik in NRW bestückte gerade einen Dampf­sterilisator mit Instrumenten, da kam es zu einem technischen Defekt: Die Tür schloss sich und klemmte die linke Hand und Teile des Unterarmes mit neun Bar Druck und Temperaturen von über 120 Grad Celsius im Gerät ein. Schwerste Verletzungen, Not­operationen und schließlich eine Amputation im BG Klinikum Duisburg waren die Folge.

Heute kann die 55-Jährige wieder positiv in die Zukunft blicken. Im Rahmen einer intensiven medizinischen Behandlung und einer monate­langen berufs­orientierten Rehabilitation in der Unfallklinik hat sie sich in ihren Beruf zurückgekämpft. Eine High-Tech-Prothese mit viel „Fingerspitzengefühl“ ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Meinecke-Allekotte wieder in ihrem alten Beruf als OP-Schwester arbeiten kann. „Mein Ziel war von Beginn an noch einmal am OP-Tisch zu stehen und alle meine Aufgaben zu erfüllen“, sagt Meinecke-Allekotte. „Das Ziel habe ich erreicht.“

Rettungsdienst kommt erst nach 45 Minuten

Dass es zu einem solchen Erfolg für die Patientin kommen würde, hatte direkt nach dem Arbeits­unfall kaum jemand zu hoffen gewagt. Denn am 9. November war für Meinecke-Allekotte an ihrem Arbeits­platz fast alles schief gelaufen, was schief­laufen konnte. Zuerst der technische Defekt am Dampf­sterilisator mit dem Arbeits­unfall als Folge. Dann die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Unglücks keine anderen Mitarbeitenden mehr in der Praxis­klinik vor Ort waren.

„Ich habe geschrien, so laut ich konnte, und richtig Krach gemacht“, schildert Meinecke-Allekotte die Situation direkt nach dem Unfall. Aber erst nach ca. 45 Minuten wurde endlich ein Patient im Haus auf sie aufmerksam und alarmierte den Rettungs­dienst.

„Ohne medizinische Hilfe überlebt man so ein Unglück normaler­weise nur zehn Minuten“, sagt der behandelnde Arzt im BG Klinikum Duisburg, Prof. Dr. Heinz-Herbert Homann, rück­blickend. Er ist Chefarzt der Klinik für Hand­chirurgie, Plastische Chirurgie und Zentrum für Schwer­brandverletzte. In diese wurde die Patientin – nach einer Akut­versorgung durch einen Notarzt vor Ort – umgehend mit einem Rettungs­wagen transportiert.

Amputation als letzter Ausweg

Im BG Klinikum Duisburg eingetroffen, kam Meinecke-Allekotte sofort in den Operations­saal. In einem mehr­stündigen Eingriff und in einigen weiteren Folge­operationen versuchten die Ärztinnen und Ärzte die lebens­gefährliche Kombi­verletzung mit schweren Brand­verletzungen an den Fingern und starken Quetschungen bestmöglich zu versorgen. So wurden u.a. aus der Beinvene Gefäßteile entnommen, um daraus neue Arterien und Venen für die Hand zu modelieren. Diese sollten die Durch­blutung der Hand sicherstellen, aufgrund der starken Schädigungen durch den Unfall letztlich jedoch leider ohne den erhofften Erfolg.

Daher kamen die Spezialkräfte im BG Klinikum Duisburg am Ende der operativen Therapie Mitte Dezember 2017 zu dem Ergebnis, dass eine funktions­lose Teilhand verbleiben würde. Für Meinecke-Allekotte zunächst ein Schock. Nach einer Woche Bedenk­zeit und langem Abwägen der Möglichkeiten entschied sich die Patientin schließlich für eine Amputation.

„Mir war klar geworden: Die Frage ist nicht, warum hat gerade mich dieses Schicksal getroffen, sondern, was mache ich daraus“, erklärt Meinecke-Allekotte. Und sie hatte ein Ziel vor Augen: zurück in den „Job“ im OP. Aber eine OP-Schwester mit Prothese? Für viele undenkbar.

Ein Prothesenwechsel bringt den Durchbruch

Doch Meinecke-Allekotte tat in den folgenden Monaten zusammen mit dem inter­disziplinären Team des BG Klinikums – Ärzteschaft, Pflege­kräfte und therapeutische Fachkräfte – alles dafür, um irgendwann ihren alten Beruf wieder ausüben zu können.

Nach der erfolgreichen Amputation der linken Hand wurde von den Ärztinnen und Ärzten zunächst eine Armlänge rekonstruiert, die für eine moderne Prothese optimal geeignet war. Anschließend erhielt sie eine erste Hand­prothese, die aber den Anforderungen in der Rehabilitation bzw. im Beruf als OP-Schwester nicht gerecht werden konnte.

Ein Meilenstein auf Meinecke-Allekottes Weg zurück ins Leben war schließlich der Wechsel zu der neuen, anatomisch geformten VINCENTevolution 3-Hand. Diese von der Berufs­genossenschaft für Gesundheits­dienst und Wohl­fahrts­pflege (BGW) finanzierte Prothese verfügt über sechs Motoren und 14 verschiedene Griffarten und ist für fein- und grob­motorische Tätig­keiten in OP und Alltag gleicher­maßen gut geeignet.
Sieben Monate berufs­orientierte Rehabilitation, sieben Monate Ungewissheit Angeleitet von den Ergo­therapeuten im BG Klinikum Duisburg begann Meinecke-Allekotte hoch­motiviert und intensiv mit der VINCENT-Hand im Rahmen einer berufs­orientierten Rehabilitation zu trainieren: sieben Monate lang, Ausgang ungewiss. Sie lernte mit der Zeit u.a., wie man die OP-Handschuhe steril überzieht oder mit der Prothese die Instrumente schnell und sicher anreicht.

Nach und nach gelang es ihr zudem immer besser, die Tätigkeiten – ohne auf die Hand zu schauen – automatisiert und präzise auszuführen. Auch hierbei unterstützte sie das gut eingespielte Team des BG Klinikums Duisburg zusammen mit den externen Orthopädie­technikern und Prothesen­anbietern nachhaltig. Ganz entscheidend war jedoch auch der starke Wille der Patientin. „Ich habe immer alles gegeben, um die Hindernisse zu überwinden und mein Ziel zu erreichen“, sagt Meinecke-Allekotte.

Zurück im Leben, zurück im Beruf

Seit fast einem Jahr arbeitet sie jetzt bereits wieder als OP-Schwester, dieses Mal jedoch nicht in der Praxisklinik von damals, sondern im BG Klinikum Duisburg – ein „Happy End“ also für Britta Meinecke-Allekotte.

Ihre Rück­kehr ins Berufs­leben ist jedoch auch eine Bestätigung für die Arbeit des BG Klinikum Duisburg nach dem Prinzip „alles aus einer Hand, mit allen geeigneten Mitteln“. „Die bei uns praktizierte integrierte Versorgung vom Unfall über die medizinische Versorgung bis hin zur Wieder­eingliederung in Beruf und Alltag funktioniert auch in sehr schwierigen Fällen“, meint Homann.

OP-Schwester, Peer und noch viel mehr

Meinecke-Allekotte hat sich mittlerweile neben der Arbeit als OP-Schwester, noch weitere „Standbeine“ geschaffen. So ist sie im BG Klinikum Duisburg auch ehrenamtlich als sogenannte Peer tätig. Dabei geht es um die Beratung und Unterstützung von Menschen mit Behinderung – etwa nach einer Amputation – durch Menschen, die bereits ein vergleich­bares Schicksal erlitten haben.

„Ich erkläre und zeige den Betroffenen unter anderem, welche Möglich­keiten eine Prothese bietet, aber auch, was man mit einer Hand alles machen kann“, erklärt Meinecke-Allekotte. Sie führt darüber hinaus Beratungs­gespräche vor der OP durch und ist beim Eingriff selber und bei der Nach­betreuung dabei.

Regelmäßig bietet Meinecke-Allekotte zudem Fortbildungen im Schwerpunkt Prothesen(-training) an und hält Vorträge zur eigenen Patienten­geschichte auf Symposien, Reha-Tagen und anderen Veranstaltungen. Die Erstellung von Trainings­programmen für Prothesen­träger rundet ihr großes Aufgaben­spektrum ab.

Dement­sprechend positiv fällt Meinecke-Allekottes Fazit gut zwei Jahre nach dem Arbeits­unfall aus: „Mein Leben ist im Moment spannender als vor der Amputation!“

Weitere Informationen

Britta Meinecke-Allekotte im BGW-Podcast Herzschlag

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