Janina Schneider (Name geändert) ist eine von vielen Betroffenen, die an den Spätfolgen einer Corona-Infektion leiden.

„Ich musste einen langen Atem haben.“ Wenn Covid-Spätfolgen die Rückkehr in den Beruf unmöglich machen.

Für einen Teil der an Covid-19 Erkrankten beginnt nach der Genesung ein langer Leidensweg: Sie beklagen schwere Krankheitssymptome, können den Alltag nicht ohne Hilfe bewältigen. Eine Rückkehr in den Beruf ist unmöglich.

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24.09.2021

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Christiane Keppeler

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So auch für Janina Schneider (Name geändert), die sich bei der Arbeit mit Patient:innen im Krankenhaus selbst ansteckte. Die Medizin bezeichnet diese Symptome als Post-Covid-Syndrom. Eine medizinische Reha in einer Spezialklinik kann helfen und steht im Mittelpunkt des diesjährigen 18. Deutschen Reha-Tags am 25.09.2021.

Ansprechpartner und Kontaktdaten zur Behandlung von Post-Covid

Die Erkrankung nach der Erkrankung

Etwa jeder Zehnte an Covid-19 Erkrankte leidet an Langzeitfolgen. Diese werden als Long-Covid-Syndrom bezeichnet, wenn die Beschwerden wenigstens vier Wochen nach der Infektion bestehen und als Post-Covid-Syndrom, wenn Symptome wenigstens drei Monate danach noch auftreten.

Mittlerweile gibt es immer mehr Spezialeinrichtungen zur Diagnose und Behandlung, bei denen Betroffene umfangreiche Rehabilitationsangebote erhalten. Auch das BG Klinikum Hamburg (BGKH) zählt zu diesen Anlaufstellen. Seit etwa einem halben Jahr wird dort der Post-Covid-Check angeboten. Dr. med. Andreas Dr. Gonschorek, Leiter des Neurozentrums am BGKH, zählt zu den Experten, die Betroffene behandeln und weiß, welcher Leidensdruck hinter der Erkrankung steckt: „Die Symptome sind bei einigen Patient:innen zum Teil so schwer, dass ein selbstständiges Leben ohne Unterstützung bei körperlichen Tätigkeiten wie dem Haushalt oder Einkaufen nicht mehr möglich ist. Etwa die Hälfte der Patient:innen mit Langzeitbeschwerden, die uns zugewiesen werden, sind zudem anhaltend arbeitsunfähig“, so Dr. Gonschorek. Zu den Personen, die an Spätfolgen leiden, zählen vor allem Ältere – aber nicht ausschließlich. Ebenso sind auch Jüngere in Behandlung und Personen, die keine schweren Krankheitsverläufe auf einer Intensivstation hinter sich hatten.

„Keiner hat mir wirklich geglaubt, da diese Beschwerden in dem Alter ungewöhnlich sind.“

Zu diesen zählt auch Janina Schneider. Sie ist Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer Privatstation. Bei der Arbeit war sie jedoch seit Monaten nicht mehr. Dazu ist Frau Schneider körperlich nicht mehr in der Lage, seitdem sie sich Ende letzten Jahres bei der Arbeit auf der Station mit Covid-19 ansteckte und nun als Patientin am BGKH am Post-Covid-Check teilnimmt.

Ihr Krankheitsverlauf war typisch, wie bei vielen anderen: Etwa zwei Wochen lang hatte sie Fieber, fühlte sich schlapp, der Geruchs- und Geschmackssinn waren beeinträchtigt, sie musste in Quarantäne. Das, was danach passierte, war jedoch ungewöhnlich. Nachdem es Frau Schneider mit der Zeit immer besser ging und sie sich fast genesen fühlte, fingen wenig später erneut Symptome an: „Ich hatte plötzlich wieder Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen und vor allem ein Stechen in der Brust. Ich war einfach nicht mehr belastbar. Das ging so weit, dass ich mich nicht mehr eigenständig waschen konnte“, berichtet sie.

Daher nimmt Frau Schneider Kontakt mit dem Arzt auf, der sie während der Quarantäne betreute. Dieser kann die Symptome jedoch nicht erklären, ebenso wie viele weitere Ärzte, die sie aufsucht. Zwar werden Untersuchungen des Blutbilds oder auch der Lunge gemacht, diese sind jedoch unauffällig. Das Schlimmste für sie ist jedoch, dass sie mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen wird. Denn Frau Schneider gehört nicht zu einer Risikogruppe. Sie ist Ende 20 und war vor der Erkrankung körperlich fit: „Keiner hat mir wirklich geglaubt, da diese Beschwerden in dem Alter ungewöhnlich sind und es keine Erklärung für die Symptome gab. Oft wurde mir gesagt, diese seien psychisch bedingt und ich solle wieder zur Arbeit gehen.“

Und das will Frau Schneider auch, doch der körperlich anspruchsvolle Beruf überfordert sie. Das zeigt ihr auch ein Belastungsversuch. Da sie vorher viel Sport gemacht hat wie Fußball, Longboard fahren oder Tanzen, probiert sie es nach einigen Monaten erneut. Umgehend hat sie wieder Fieber und starke Schmerzen. „Da habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, die eigene Belastbarkeit zu kennen.“ Und vor allem noch etwas: „Man muss einen langen Atem haben – auch, wenn einem dieser in dem Moment selbst fehlt.“

Denn bis Frau Schneider echte Hilfe erhält, muss sie sich lange selbst helfen und nach Personen suchen, die ihr sagen können, was mit ihr los ist. Aber es gibt keine Anlaufstellen mit Kontaktdaten, alles muss sie selbst recherchieren. Hilfe findet sie nur bei anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe bei Facebook. „Dort haben mir zum ersten Mal andere geglaubt. Es gab Leute, die in meinem Alter waren, mit ähnlichen Symptomen. So hatte ich nicht das Gefühl, alleine zu sein.“ Da ihr die Arbeit und der Sport als Ausgleich fehlen, ist sie oft mit Rückschlägen und negativen Gedanken konfrontiert und beginnt in einem Tagebuch festzuhalten, was an dem Tag besonders schön war und was am nächsten kommen wird.

Frau Schneider gibt aber nicht auf. Dass sie spezielle medizinische Hilfe braucht, wird ihr nach wenigen Wochen bewusst. Schon im Januar will sie daher in eine spezielle Post-Covid-Ambulanz. Diese sind zu dem Zeitpunkt jedoch bis auf Wochen ausgebucht. Erst im März wird in der Post-Covid-Ambulanz einer Uniklinik die Diagnose Post-Covid-Syndrom gestellt. Ein kompletter Check in einer internistischen Praxis zeigt Schäden an der Lunge. Seitdem erhält sie Krankengymnastik und Atemtherapie und macht damit gute Fortschritte – es geht endlich bergauf. Eine Angst begleitet sie dabei aber immer, dass am Ende doch nicht alles besser wird und so bleibt.

Eine Krankheit mit vielen Gesichtern

Obwohl es aktuell noch keine belastbaren Langzeitstudien gibt, sehen die Chancen für Frau Schneider nach den ersten Behandlungen von Patient:innen positiv aus: „Etwa 70 Prozent haben aus Erfahrung eine gute Prognose zu genesen und in absehbarer Zeit in den Beruf zurückzukehren“, so Dr. Gonschorek. Voraussetzung dafür ist jedoch ein umfassender speziell auf das Krankheitsbild ausgerichteter diagnostischer und therapeutischer Behandlungsansatz. Denn eines ist mittlerweile klar: Covid-19 ist eine komplexe Multisystemerkrankung, die nicht nur die Lunge und das Herz-Kreislauf-System betrifft.

Größere Unklarheit gibt es derzeit noch über die Spätfolgen: „Wir sind mit über 200 Symptomen konfrontiert, über die Betroffene klagen: vom Haarausfall bis zu Beeinträchtigungen des Geruchs- und Geschmackssinns. Unter diesen können wir zumindest einige Kernaspekte festmachen. Charakteristisch sind vor allem eine Minderbelastbarkeit und extreme Müdigkeit (Fatigue) sowie diverse kognitive Beeinträchtigungen, die sich bspw. in Konzentrationsproblemen oder Wortfindungsstörungen äußern“, so Dr. Gonschorek. Dass auch emotionale Faktoren wie Depressionen oder Ängste zu den Symptomen zählen, erschwert zudem die Abgrenzung von anderen Krankheitsbildern wie dem Burn-out.

Hilfe über integrierte Rehabilitation

Die Komplexität der Erkrankung erfordert interdisziplinäre Behandlungskonzepte, die individuelle Reha-Maßnahmen für Betroffene beinhalten. Erfolgt die Ansteckung mit Covid-19 im beruflichen Umfeld, etwa auf einer Intensivstation, sind Arbeitnehmer:innen über die Berufsgenossenschaft versichert und haben die Möglichkeit, am Post-Covid Programm der BG Kliniken teilzunehmen. Dieses reicht von der Beratung und Diagnostik bis zur stationären Rehabilitation und ambulanten Nachbetreuung und schließt eine Vielzahl an klinischen Fachbereichen ein. „Was die Behandlung bei uns so besonders macht, ist die integrative Betrachtung der Symptome. Wir arbeiten eng mit den anderen Fachbereichen zusammen und haben ein breites Netzwerk an Partnerkliniken und spezialisierten Reha-Einrichtungen“, so Dr. Gonschorek.

Ein zentraler Bestandteil des Post-Covid-Programms ist die ambulante Post-Covid-Sprechstunde, in der die Diagnostik und weitere Rehaplanung sowie die Nachbetreuung stattfinden. In Abhängigkeit des Krankheitsbildes wird hier auch entschieden, ob die Teilnahme am stationären Post-Covid-Check erforderlich ist. Bei diesem erfolgt eine ausführliche neurologische und psychologische Diagnostik sowie – abhängig vom Beschwerdebild – pulmonale und kardiale Untersuchungen. An der Behandlung beteiligt sind am BGKH vor allem die Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR) sowie das Neurozentrum. So werden sowohl körperliche als auch neurologische Störungen gleichermaßen therapiert. Im Rehazentrum City in der Hamburger Innenstadt können Patient:innen zudem ambulant betreut werden und erhalten multimodale Ergo- und Physiotherapie sowie medizinische Trainingstherapie. Zudem bietet sich die Möglichkeit, dass Patient:innen in der BG Reha-Klinik in St. Peter-Ording an der stationären Weiterbehandlung (BGSW) teilnehmen. Neben anderen BG Kliniken kooperiert das BGKH zudem mit Partnern außerhalb des Klinikverbunds wie dem Bethesda Krankenhaus in Bergedorf.

Selbst das mittlerweile bessere medizinische Angebot steht jedoch weiterhin vielen offenen Fragen über die genauen Mechanismen der Erkrankung und den Langzeitfolgen gegenüber. Zumindest bis größere Studien weitere Erkenntnisse bringen. Frau Schneider musste wie wahrscheinlich viele weitere Betroffene lange Zeit für sich selbst nach einem Weg suchen: „Bis ich dorthin kam, wo ich jetzt bin, musste ich meinem Arbeitgeber und den Ärzt:innen auf die Füße treten – das empfehle ich auch allen anderen“, sagt sie. An der Rückkehr in ihren Beruf hält sie trotz allem weiter fest - und nicht nur das: „Ich möchte mich weiterentwickeln und auf einer Intensivstation arbeiten.“, ergänzt sie entschlossen.