Auswirkungen des Pandemieverlaufs auf die Seroprävalenz

Häufigkeit von Anti-SARS-CoV2-Antikörpern bei Gesundheitsdienstleistenden in einem Maximalversorgungskrankenhaus 2020

 

BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin

01.06.2022

S. Tomczyk, A. Hönning, J. Hermes, M. Grossegesse et al.

 

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Was bisher bekannt ist

Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie war und ist Krankenhauspersonal berufsbedingt einem erhöhten Expositionsrisiko gegenüber SARS-CoV-2 ausgesetzt. Meta-Analysen legen nahe, dass insbesondere während der ersten Ausbruchswellen im Jahr 2020 nahezu 10 % der klinisch Tätigen Antikörper gegen SARS-CoV-2 und damit Anhalt für eine durchgemachte symptomatische oder auch asymptomatische Infektion aufwiesen. Die Seroprävalenz bei im Gesundheitswesen Beschäftigten war deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Für die Beschreibung der nationalen und internationalen Infektionsepidemiologie, die Modellierung der Pandemiedynamik, die Entwicklung und Anpassung von Hygienekonzepten usw. sind Daten über die Durchseuchung mit SARS-CoV-2 bei Gesundheitsdienstleistern im Zeitverlauf unverzichtbar. 

Studiendesign und Resultate

Auf Anfrage des und in Kooperation mit dem Robert Koch-Institut (RKI) stellten Mitarbeitende des BG Klinikums Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) im Mai und Juni (frühe Kohorte) sowie Dezember 2020 (späte Kohorte) freiwillig Blut für die Antikörperbestimmung sowie Nasen-Rachen-Abstriche für PCR Tests zur Verfügung und beantworteten zudem einen Begleitfragebogen. Die Studie wurde vor der Zulassung und generellen Einführung von Impfungen durchgeführt und bildet damit die Häufigkeit durchgemachter Infektionen bzw. natürlicher Antigen-Expositionen ab. Zur Antikörperbestimmung wurde am RKI eine vierstufige SARS-CoV-2-Teststrategie unter Einsatz zweier Enzyme-linked Immunosorbent-Assays (ELISA) sowie eines biologischen Neutralisationstests (NT) angewandt.

In der frühen Kohorte erwiesen sich 18 / 1477 (1,2 %, 95 % Konfidenzintervall [KI] 0,7 bis 1,9 %), in der späten Kohorte 56 / 1223 (4,6 %, 95 % KI 3,5 bis 5,9 %) der Teilnehmenden als SARS-CoV-2 seropositiv. Das unadjustierte Odds Ratio (OR) betrug 3.89 (95 % KI 2,29 bis 6,61) und deutet damit auf eine deutliche Zunahme des Risikos für eine SARS-CoV-2-Infektion im Pandemieverlauf hin. In der späten Kohorte ähnelte die Seroprävalenz im ukb sowohl derjenigen der Berliner Gesamtbevölkerung als auch anderer Kliniken in Deutschland.

In der frühen und späten Kohorte betrug der Anteil stattgehabter positiver PCR-Tests unter Seropositiven 44 bzw. 86 %, welches auf die zunehmende Testfrequenz zurückgeführt werden kann. Bei allen Personen in der frühen Kohorte Seropositiver waren auch nach sechs Monaten Antikörper gegen SARS-CoV-2 mittels ELISA und NT-Tests nachweisbar. Multivariate logistische Regressionsmodelle zeigten, dass Krankenhausbeschäftigte mit erhöhtem Expositionsrisiko gegenüber SARS-CoV-2, insbesondere aber Pflegepersonal, eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für eine Serokonversion aufwiesen. Interessanterweise zeigten aber auch nicht-medizinische Beschäftigte des ukb im Zeitverlauf ein erhöhtes Risiko für den Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2, wobei sich dies eher durch die generell gestiegene Infektionslast in der Bevölkerung erklärt.

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Diese in Kooperation mit dem RKI durchgeführte Untersuchung illustriert die im Verlauf der Pandemie und vor der Verfügbarkeit von Impfstoffen gestiegene Vulnerabilität medizinischen Personals, besonders in der Pflege, im direkten Kontakt mit Infizierten bis Dezember 2020. Symptomatisch Erkrankte, Männer, Pflegende, insbesondere diejenigen mit hohem Expositionsrisiko, waren überzufällig häufig von einer Serokonversion betroffen. Die Studie ist für die Bemessung der Epidemiologie von COVID-19 bei klinisch Tätigen von erheblichem Wert, wird durch weitere Seroprävalenzstudien flankiert und hilft auch bei der zukünftigen Bewertung von Langzeitfolgen im Sinne von Long- und Post-COVID-19, insbesondere im Kontext der rechtlichen Einschätzung angeschuldigter Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.