Bildgebende Untersuchungen muskulärer Folgen von Post-COVID mittels quantitativer Magnetresonanztomografie

Mikrostrukturelle Veränderungen ja – spezifische Befunde nein

 

BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum

05.09.2023

E. Enax-Krumova, J. Forsting, M. Rohm, P. Schwenkreis et al.

doi: 10.1111/ene.15709. Epub 2023 Feb 15. PMID: 36693812.

 

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Was bisher bekannt ist

Das Post-COVID-19-Syndrom (PCC) beeinflusst wesentlich die gesundheitsbezogene Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit. Mehr als ein Viertel aller Betroffenen leidet an anhaltenden Muskelschmerzen (Myalgie) und vorzeitiger Muskelerschöpfung. Muskelentzündungen (Myositis) und ein Zerfall von Muskelfasern (Rhabdomyolyse) können während einer akuten SARS-CoV-2-Infektion auftreten, welche mit erhöhten Konzentrationen der Kreatinkinase (CK) im Serum, einem Muskelödem im MRT und perivaskulären Entzündungen in Muskelbiopsien einhergehen. 
In einer Studie von 16 Patientinnen und Patienten mit PCC wurden verschiedenste histopathologische Schäden der Biceps-Muskulatur in Verbindung mit myopathischen Veränderungen in der Elektromyographie beobachtet. Die meisten Patientinnen und Patienten mit PCC zeigen jedoch weder Auffälligkeiten in neurologischen und elektrophysiologischen Untersuchungen, noch erhöhte CK-Konzentrationen. Die quantitative MRT (qMRT) der Skelettmuskulatur hat sich als sensitive Methode zur Differenzierung neuromuskulären Erkrankungen und der Klärung ihrer Pathophysiologie erwiesen.

Studiendesign und Resultate

Ziel dieser Studie war es, mittels multimodaler qMRT muskuläre Veränderungen als mögliche Erklärung für anhaltende muskuloskelettale Beschwerden und vorzeitige Erschöpfung bei PCC ohne manifeste Auffälligkeiten in der neurologischen Standarduntersuchung im Vergleich zu gesunden Kontrollen zu identifizieren. Die qMRT-Befunde wurden mit den Ergebnissen der klinischen Untersuchung, des 6-Minuten-Gehtests als Funktionsparameter sowie mit validierten Fragebögen zu depressiven Symptomen, Fatigue und Lebensqualität korreliert.
Eingeschlossen wurden 20 PCC-Betroffene (15 Frauen, 5 Männer, mittleres Alter 49 ± 10 Jahre, mittlerer BMI 29 ± 5 kg/m2, mittlere Symptomdauer 13 ± 4 Monate), die sich in der Neurologischen Klinik des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil einer stationären Post-COVID-Check-Untersuchung unterzogen. Von diesen klagten 19 über anhaltende Myalgien, 14 über anhaltende subjektive Muskelschwäche und / oder vorzeitige Erschöpfung, und 4 über anhaltende Muskelkrämpfe und / oder Faszikulationen. Um etwaige abweichende oder auffällige qMRT-Befunde einer PCC zuschreiben zu können, wurde eine Vergleichsgruppe von 20 freiwilligen Kontrollpersonen (15 Frauen, 5 Männer, mittleres Alter 48 ± 11 Jahre, mittlerer BMI 23 ± 2 kg/m2) gebildet. 
Der intramuskuläre prozentuale Fettanteil (FF) in den untersuchten Muskelgruppen war mit wenigen Ausnahmen (M. tibialis anterior, M. tibialis posterior) in der PCC-Gruppe gegenüber der Kontrollgruppe (5,5 ± 1,9 versus 4,3 ± 1,7, Mittelwertdifferenz 1,2, 95 % Konfidenzintervall 0,5 – 2,4) erhöht. Nach Adjustierung für den BMI waren jedoch keine Gruppenunterschiede mehr zu beobachten. Weder der FF noch T2-gewichtete Analysen von muskulären Ödemen und Entzündungen erwiesen sich als robuster Hinweis auf eine PCC-assoziierte Muskeldegeneration. Sekundäre Indikatoren aus Diffusion Tensor Imaging (DTI) Protokollen zeigten auch nach Berücksichtigung von BMI und FF signifikante Unterschiede zwischen PCC-PatientInnen und Kontrollpersonen, können aber als Folge der Muskelfaserhypotrophie nach Dekonditionierung gewertet werden. Die qMRT-Ergebnisse korrelierten nicht mit klinischen Parametern wie dem 6-Minuten-Gehtest oder Fragebögen zu Funktion und Lebensqualität.

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Da mittels der hochsensitiven qMRT der Skelettmuskulatur bei PCC-Patienten ohne objektivierbare neurologische Defizite keine Auffälligkeiten in der Skelettmuskulatur festgestellt wurden, sind auch bei herkömmlichen T1-gewichteten und T2-gewichteten MRT-Sequenzen keine Auffälligkeiten zu erwarten. Daher sollte die MRT-Untersuchung der Skelettmuskulatur im Kontext der Abklärung von PCC-Beschwerden nur bei klinischen Hinweisen auf eine muskuläre Beteiligung wie manifeste Paresen, dauerhaft erhöhte CK-Werte oder ein myopathisches Muster in der Elektromyographie angewendet werden.
Zukünftige Studien sollten sich auf PCC-Betroffene mit Auffälligkeiten in der neurologischen Standarduntersuchung, insbesondere aber auf Längsschnittuntersuchungen von muskulären MRT-Parametern während einer akuten, subakuten und chronischen COVID-19-Infektion konzentrieren. Denkbar wäre, dass sich bildgebend nachgewiesene mikrostrukturelle Veränderungen im Rahmen eines Rehabilitationsprogramms durch gezieltes Muskelaufbautraining umkehren lassen.