Effektivität einer frühen chirurgischen Therapie der Spondylodiszitis im Vergleich zu einer alleinigen systemischen antibiotischen Behandlung
Eine Propensity-Score-gepaarte Kohortenanalyse aus deutschen und britischen Zentren
BG Unfallklinik Frankfurt am Main
19.10.2025
J. Neuhoff, A. Kramer, S.G. Thavarajasingam, R.K. Sutherland et al.
doi: 10.1227/neu.0000000000003223. Epub ahead of print. PMID: 39471086.

Was bisher bekannt ist
Bakterielle Infektionen des Bandscheibenfaches und der angrenzenden Wirbelkörper nehmen zu und setzen Betroffene dem Risiko für eine Querschnittlähmung aus. Die treibende Ursache hierfür ist noch unklar – durch eine liberale Anwendung der radiologischen Schnittbildgebung bei Rückenschmerzen mittels CT und MRT werden Spondylodiszitis-Fälle früher als in der Vergangenheit diagnostiziert. Eine Auswertung von stationären Entlassungsdaten des statistischen Bundesamtes (Destatis) legt eine Zunahme der Frequenz von 5,4 auf 11,0 / 100.000 seit 2005 in Deutschland nahe (Kramer A et al. Sci Rep 2023 Nov 18;13(1):20225. doi: 10.1038/s41598-023-47341-z). Eine Meta-Analyse von 21 Kohortenstudien mit Einschluss von 10.954 Betroffenen zeigte zudem einen Vorteil der frühen operativen, im Vergleich zu einer nicht-operativen, Therapie im Hinblick auf die Sterblichkeit (8 % versus 13 %) und der Rezidivraten (15 % versus 21 %) (Thavarajasingam SG et al. Sci Rep 2023 Sep 20;13(1):15647. doi: 10.1038/s41598-023-41381-1).
Es existieren unverändert unzureichende klinisch-wissenschaftliche Informationen aus einem direkten Vergleich einer primär operativen mit einer nicht-operativen Strategie zur Behandlung einer Spondylodiszitis im Hinblick auf Patienten-relevante Endpunkte.
Studiendesign und Resultate
In diese retrospektive Kohortenstudie wurden Fälle aus einem britischen (N = 96) und zwei deutschen Zentren (N = 453) eingeschlossen. Nach PS-Matching konnten jeweils 95 primär operativ und nicht-operative Behandelte miteinander verglichen werden. Das mittlere Alter betrug 66 Jahre, 81 / 190 (42 %) Teilnehmende waren Frauen. Lenden- und Brustwirbelsäule waren in 95 / 190 (50 %) bzw. 51 / 190 (27 %) betroffen. Mehr als ein Viertel aller Patientinnen und Patienten boten bei Aufnahme neurologische Ausfälle (51 / 190, 27 %).
Im britischen Zentrum wurden 81 / 95 (85 %) aller Beteiligten primär nicht-operativ, in den beiden deutschen Zentren hingegen 92 / 95 (97 %) primär chirurgisch versorgt.
In der untersuchten Stichprobe wurde nach PS-Adjustierung für die Varianz im Basisprofil eine deutliche Reduktion der Gesamtsterblichkeit durch eine primär operative Behandlung beobachtet (4 / 95, 4 %, versus 23 / 95, 24 %), relatives Risiko (RR) 0,17, 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,06–0,48. Es konnten jedoch keine Unterschiede in der Rate neurologischer Defizite (18 / 95 [19 %] versus 21 / 95 [22 %], RR 0,86 (95 % KI, 0.49–1,50) oder von Infektrezidiven (6 / 95 [6 %] versus 6 / 95 [6 %], RR 1,00 (95 % KI, 0,33–3,00) festgestellt werden.
Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken
Die Ätiologie einer Spondylodiszitis infolge hämatogener Streuung lässt sich in den meisten Fällen nicht eindeutig klären. Nur in Ausnahmefällen kann ein kausaler Zusammenhang mit einem vorangegangenen Arbeitsunfall oder dessen Folgebehandlung hergestellt werden. Bei chronischen, unspezifischen oder therapieresistenten Rückenschmerzen sollte differenzialdiagnostisch jedoch stets auch an eine Spondylodiszitis gedacht und die Indikation zur CT- oder MRT-Bildgebung großzügig gestellt werden. Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass ein primär chirurgisches Management einer alleinigen systemischen antimikrobiellen Therapie hinsichtlich der Überlebenswahrscheinlichkeit überlegen sein könnte. Diese Beobachtung sollte durch prospektive, multizentrische und randomisierte Studien weiter überprüft werden.
Über diesen Artikel
J. Neuhoff
BG Unfallklinik Frankfurt am MainA. Kramer
S.G. Thavarajasingam
R.K. Sutherland
H. McCaughan
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M. Wostrack
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F. Kandziora
BG Unfallklinik Frankfurt am MainE. Shiban
B. Davies
Demetriades AK, Ringel F. Comparing Conservative and Early Surgical Treatments for Pyogenic Spondylodiskitis: An International Propensity Score-Matched Retrospective Outcome Analysis. Neurosurgery.
2024 Oct 17. doi: 10.1227/neu.0000000000003223. Epub ahead of print. PMID: 39471086.