Vorhersage des Risikos für ein intraabdominelles Kompartmentsyndrom bei Schwerbrandverletzten

Ergebnisse der multizentrischen TIRIFIC-Studie

 

BG Klinik Ludwigshafen

BG Klinikum Bergmannstrost Halle

BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum

BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin

BG Unfallklinik Frankfurt am Main

15.03.2022

D. Boehm, D. Arras, C. Schroeder, F. Siemers et al.

 

Bild vergrößern

Was bisher bekannt ist

Das gefürchtete intra-abdominelle Kompartmentsyndrom (ACS) führt aufgrund einer Entgleisung von systemischen Immun- und Entzündungsreaktionen zu einer Druckerhöhung in der Bauchhöhle, dem Untergang von Darmgewebe (Nekrose) und Durchtritt von Darmkeimen (Durchwanderungsperitonitis). Diese erfordern zwingend wiederholte abdominal-chirurgische Eingriffe, welche die Überlebensprognose Schwerbrandverletzter zusätzlich verschlechtern.
Als Risikofaktoren für ein ACS konnten in bisherigen Studien insbesondere die übermäßige Infusion von Kristalloiden sowie bestimmte Beatmungsparameter identifiziert werden. Kristalloide stellen eine zentrale Komponente in der Erstbehandlung Brandverletzter dar. Es bedarf daher der Identifikation weiterer Variablen, welche ein ACS nach schwerer Brandverletzung unabhängig von deren Ausmaß vorhersagen bzw. erklären können.

Studiendesign und Resultate

Die multizentrische TIRIFIC-Studie wurde unter Koordination der BG Klinik Ludwigshafen in vier Schwerbrandverletztenzentren (Ludwigshafen, Halle, Bochum, Berlin) durchgeführt. 
Retrospektiv wurden 38 Brandverletzte mit Laparotomie-bedürftigem ACS identifiziert, welche zwischen 2000 und 2015 in den genannten Kliniken behandelt wurden. Diesen wurde eine Kontrollgruppe mit gleichem Alter und Verbrennungsausmaß im Sinne einer Matched-Pair-Analyse zugeordnet.
Die Sterblichkeit von Schwerbrandverletzten mit einer betroffenen Körperoberfläche ≈ 50 % mit und ohne ACS betrug 84 bzw. 32 %.
Die absolute Volumengabe war in der ACS- und Kontrollgruppe vergleichbar, jedoch bei signifikant erhöhter Flüssigkeitsbilanz innerhalb von 24 Stunden in der Gruppe der ACS Betroffenen. Auch der maximale und mittlere Spitzenbeatmungsdruck lag in der ACS-Gruppe signifikant über den Werten der Kontrollgruppe. 

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken 

Alter, Flüssigkeitsgabe und Beatmungsparameter beeinflussen das Risiko für ein ACS im Rahmen einer schweren Brandverletzung. Das early-onset ACS wird vorwiegend durch Ventilation, das late-onset ACS durch übermäßige Infusion getriggert. Eine prospektive Längsschnitterhebung von Beatmungs- und Transfusionsdaten ist notwendig, um das individuelle Risiko für ein ACS, sekundäre Präventionsstrategien und therapeutische Interventionen zu modellieren.