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Wearable-basierte Prädiktion der funktionellen Erholung nach Verletzungen des Bewegungsapparates

Machbarkeitsuntersuchung unter Nutzung maschinellen Lernens

 

BG Klinik Tübingen

15.06.2025

B.J. Braun, T. Histing, M.M. Menger, S.C. Herath et al.

doi: 10.1016/j.injury.2023.111254. Epub 2023 Nov 30. PMID: 38070329.

 

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Was bisher bekannt ist

Die frühzeitige Identifizierung von Verletzten mit einem erhöhten Risiko für einen verzögerten Heil- und Rehabilitationsverlauf und die gezielte individualisierte Anpassung von Behandlungskonzepten gehören zum Kernauftrag der BG Kliniken unter dem Dach der gesetzlichen Unfallversicherung.
Viele Menschen nutzen Wearables wie Smartphones und -watches, Fitnessarmbänder etc. im Alltag, um ihre körperliche Fitness zu messen und stetig zu verbessern. Die durch diese Geräte generierten Daten sind ebenfalls wertvoll, um eine unfallbedingte Rehabilitationsphase zu monitoren. Die Anwendung von durch Betroffene routinemäßig genutzte eigene Apparaturen senkt die Hürde für die Einspeisung von Daten für Forschungs- und Therapiezwecke, und erleichtert die Datenschutzprüfung gemäß EU-GDPR.
Die tägliche Schrittzahl ist ein einfaches Surrogat – sie kann zusammen mit dem Grundumsatz, Kalorienverbrauch etc. reproduzierbare Hinweise auf die körperliche Aktivität liefern. In Kombination mit maschinellem Lernen könnten aus diesen Informationen Hinweise auf die wahrscheinliche Restitution nach einem Unfall abgeleitet werden.


Studiendesign und Resultate

Eingeschlossen wurden 24 Männer und 14 Frauen mit einem mittleren Alter von 47 (Spanne, 21–67) Jahren, welche an der BG Klinik Tübingen stationär oder ambulant eine Rehabilitation aufgrund einer Verletzung des Bewegungsapparates durchliefen. Von diesen hatten 7 Verletzungen der oberen Extremität, 24 der unteren Extremität, 5 Verletzungen des Beckens und 2 kombinierte Verletzungen erlitten.
Geeignete Teilnehmende nutzten ihr eigenes Wearable-System und gestatteten die Datenauslesung für Studienzwecke.
Erfasst wurde ausschließlich die Echtzeit-Schrittzahl 14 Tage vor Beginn der Rehabilitation, und longitudinal bis zu 120 Tage nach Rehabilitationsstart.
Ein logistisches Modell wurde trainiert, um den funktionellen Genesungsstatus der Teilnehmenden nach 6 Wochen basierend auf Aktivitätsmerkmalen vor und nach der Verletzung vorherzusagen, sowie eine Prädiktion bezüglich ihrer Arbeitsfähigkeit zu ermöglichen. 
Die statistische Analyse und die Konstruktion des KI-Modells wurden mit Python (Version 3.8, Python Software Foundation, Open Source, Beaverton, OR 97008, USA) durchgeführt.
Die durchschnittliche tägliche Schrittzahl vor der Verletzung betrug 7002 (Spanne 0–31582) und 4359 (Spanne 0–45337) am Ende der Rehabilitation. Allein die Zunahme der Schrittzahl erklärte 70 % der Varianz in der Wiederherstellung von ≥50 % der ursprünglichen körperlichen Aktivität.


Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Einfache, für Betroffene und interprofessionelle Teams leicht interpretierbare und ohne zusätzlichen Aufwand verfügbare Parameter des Rehabilitationserfolges stellen einen Glücksfall dar – die mittels patienteneigener Wearables und KI-Routinen ermittelbare Schrittzahl gehören dazu. Es bedarf weiterer Bemühungen, Grenzwerte zu identifizieren, um gegebenenfalls Interventionen zur Ausreizung des individuellen Leistungsniveaus zu verordnen. Das Konzept, von Patientinnen und Patienten ohnehin genutzte, eigene Smart-Technologien in die Rehabilitation einfließen zu lassen, sollte im übergeordneten BG Kliniken Kontext verfolgt werden.