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Lösliche ACE2-Rezeptoren

Ein neuer Therapie­ansatz könnte darin bestehen, dem SARS-CoV-2-Virus hohe Mengen seines Rezeptors in im Blut gelöster Form anzubieten und so von Rezeptoren im Lungen­gewebe fernzuhalten.

Das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) ist der Rezeptor für das schon beschriebene S-Protein des SARS-CoV-2-Virus und damit dessen Eintritts­pforte in Gewebe des Nasen-Rachen-Raums, insbesondere aber der unteren Atemwege, also der Bronchien und der Lunge. Auch im Herzen findet sich ACE2, was möglicherweise im Rahmen schwerer COVID-19-Verläufe beobachtete Herz­muskel­ent­zündungen erklärt.

Die eigentliche biologische Funktion von ACE2 ist eine andere: Es ist ein Gegen­spieler im sogenannten Renin-Angiotensin-Aldosteron-Regelkreis (RAAS), der wesentlich den menschlichen Flüssigkeits­haushalt und die Blut­druck­regulation verantwortet und durch verschiedene Zellen der Nieren und Neben­nieren­rinde gesteuert wird. Eine häufig gegen hohen Blutdruck und eine Herzmuskel­schwäche (Herzinsuffizienz) eingesetzte Medikamenten­gruppe, die sogenannten Sartane (Losartan, Valsartan, Telmisartan u.a.), blockieren den Angiotensin-Rezeptor 1 und setzen so die Wirkung des die Gefäße verengenden und das Zellwachstum beeinflussende Gewebs­hormon Angiotensin II außer Kraft.

In allen wichtigen internationalen Fach­zeit­schriften, zuletzt im New England Journal of Medicine, wurden die möglichen Effekte einer Behandlung mit Sartanen auf das Risiko eines schweren Verlaufs einer SARS-CoV-2-Infektion aufgrund der Wechsel­wirkungen mit ACE2 analysiert. Nach früheren Spekulationen von Wissenschaftlern aus China und der Schweiz, dass Sartane zu einer erhöhten Gewebedichte von ACE2 führen und so ein Risiko für schwere Krankheits­verläufe bedeuten, wird dieser Medikamenten­klasse derzeit eher eine schützende Funktion zugeschrieben. Das Zusammenspiel zwischen SARS-CoV-2 und der Regulation der ACE2-Ausprägung bei entzündlichen Lungen­schäden wird wissenschaftlich noch nicht vollständig verstanden. An der Universität von Minnesota wurden zwei kontrollierte Studien gestartet, die den Nutzen von Losartan bei hospitalisierten und ambulanten Patientinnen und Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion im Vergleich zu einer Scheintherapie (Placebo) untersuchen sollen.

Ein interessanter neuer Therapie­ansatz ist die intravenöse Gabe von im Labor synthetisch hergestellten (rekombinanten) ACE2-Rezeptoren (rhACE2). Die Idee dahinter ist, dass SARS-CoV-2-Viren durch die im Blut gelösten Rezeptoren gebunden werden und so nicht an Rezeptoren im Lungen­gewebe gelangen. Die Grundlagen wurden gerade in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht. Der Hersteller, APEIRON Biologics AG mit Sitz in Wien, hat eine klinische Phase-2-Studie an 200 Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf in Österreich, Dänemark und Deutschland begonnen um zu prüfen, ob rhACE2 (mit dem vorläufigen Substanz­namen APN01 oder GSK2586881) im Vergleich zu Placebo das Risiko für ein Lungen­versagen reduziert. 

Fazit

Aufgrund seiner Schlüssel­funktion werden alle Medikamente, die mit dem ACE2-Rezeptor in Verbindung stehen, zukünftig von wissen­schaftlichem und klinischem Interesse sein.

Stand: 07.04.2020