Chronische Schmerzen nach Frakturen und Osteosynthesen

Eine bedeutsame, aber früh detektierbare Komplikation

 

 

BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum

08.03.2023

J.L. Aulenkamp, N.M. Malewicz, J.D. Brauckhoff, P.K. Zahn et al.

 doi: 10.1213/ANE.0000000000005807. 

 

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Was bisher bekannt ist

Langanhaltende Schmerzen (chronic postsurgical or posttraumatic pain, CPSP) nach Frakturen und ihrer operativen Stabilisierung tragen erheblich zu einer protrahierten Arbeitsunfähigkeits- und Rehabilitationsdauer bei und beeinflussen zentrale Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die Behandlung ist komplex, zeitintensiv und insbesondere bei verspäteter Erkennung eines komplizierten Verlaufes nicht immer erfolgreich. Die Inzidenz und Prävalenz dieser Entität im Verletztenszenario wurden in Deutschland bisher noch unzureichend erfasst.

Studiendesign und Resultate

Im BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum wurde eine prospektive Studie durchgeführt, um die Epidemiologie eines chronischen post-traumatischen / post-operativen Schmerzsyndroms (CPSP) zu beschreiben. Aus einer Stichprobe von 1006 Patientinnen und Patienten, welche zwischen Juni 2017 und August 2018 stationär zur operativen Stabilisierung einer traumatischen Fraktur aufgenommen wurden, wurden 127 Teilnehmende (70 Männer und 57 Frauen, mittleres Alter 53 [SD 17] Jahre) eingeschlossen. Vollständige Daten standen ein Jahr nach dem Eingriff von 82 Verletzten zur Verfügung.
Ein CPSP wurde in 35 Fällen diagnostiziert (43 %, 95 % Konfidenzintervall [KI] 32–54 %). Von diesen boten sechs neuropathische Schmerzen (17 %, 95 % KI 7–34 %). Die frühe Messung der subjektiven Schmerzempfindung mit Hilfe der einfachen, klinisch etablierten numerischen Rating-Skala (NRS) von 0 bis 10 erwies sich hierbei als erstaunlich genau, um den weiteren Schmerzverlauf sowie ein manifestes CPSP nach einem Jahr vorherzusagen. Die standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD oder Effektstärke) der NRS in Ruhe zwischen Verletzten mit und ohne CPSP betrug unmittelbar vor und fünf Tage nach Operation 0,49 (95 % KI 0,05–0,94) bzw. 0,42 (95 % KI -0,03–0,86). Bei Bewegung betrugen die SMD 0,21 (95 % KI -023–0,65) bzw. 0,64 (95 % KI 0,19–1,09). Ein CPSP führte zu einer signifikanten Beeinträchtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität anhand des Index und der VAS-basierten Selbstbewertung des EQ5D-3L-Instruments. Das relative Risiko für eine Einnahme systemisch wirkender Schmerzmittel war in der CPSP-Gruppe vierfach erhöht (RR 4,0, 95 % KI 1,6–10,0).

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Fortbestehende, nach einem Jahr chronifizierte Schmerzen nach interner Frakturstabilisierung treten bei nahezu jedem zweiten Verunfallten auf und stellen ein immer noch unterrepräsentiertes therapeutisches, rehabilitatives und gesundheitsökonomisches Problem dar. Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung eines derartigen Heilverlaufes und stratifizierten Intervention im Sinne der Sekundärprophylaxe sind dringend geboten. Eine systematische Schmerzquantifizierung mit Hilfe der einfachen NRS vor und innerhalb der ersten Tage nach dem Indexereignis könnte bereits helfen, Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko für ein chronisches post-traumatisches / post-operatives Schmerzsyndrom ein Jahr nach der Verletzung zu identifizieren.