Ute Martella

„Für Inklusion braucht es Verständnis“

Seit fast 13 Jahren engagiert sich Ute Martella für die Interessen der Mitarbeitenden mit Behinderung. Im Interview spricht sie über ihre Tätigkeit in den BG Kliniken, welchen Gewinn sie daraus für sich zieht und welche Wege zur gelebten Teilhabe noch begangen werden müssen. 

Frau Martella, seit wann sind Sie Schwerbehindertenvertretung und wie erhält man diese Position? 

Seit 2010 bin ich Schwerbehindertenvertretung und seit 2016 Konzernschwerbehindertenvertretung. Beides sind Ämter, in die man in den Betrieben gewählt wird. Ersteres von den Menschen mit Schwerbehinderung, Letzteres von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Einrichtungen. 

Seit wann gibt es die Schwerbehindertenvertretung an den BG Kliniken? 

Historisch gesehen, seit es die Standorte gibt. Das Amt der Schwerbehindertenvertretung ist an sich keine neue Erfindung. Die gibt es schon seit rund hundert Jahren, nur eben noch nicht mit dem inklusiven Fokus wie heute, sondern zur reinen Arbeitnehmerbeschaffung. Gerade nach Kriegen fehlten Arbeitskräfte, da hat man sich dann schnell um die Heimkehrer bemüht. Krüppelhilfe nannte man das damals noch.

Was hat Sie dazu bewegt, sich diesem Bereich zu widmen?

Ich habe mich immer sehr für die Interessen und Belange der Kolleginnen und Kollegen vor Ort eingesetzt. Zudem sind die Gesunderhaltung und der Einsatz von Mitarbeitenden trotz Erkrankung für mich ein Thema von sehr großer Bedeutung. Da ich schon Betriebsratsmitglied war, hatte ich mich dort auf diese Themen schon fokussiert und die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung hat mich da besonders in ihrer Ausbaufähigkeit gereizt. 

Gibt es für die Schwerbehindertenvertretung einen typischen Arbeitstag?  

Es gibt keinen typischen Arbeitstag. Oftmals passieren aus dem täglichen Arbeitsleben der Kolleginnen und Kollegen Dinge, bei denen sie Unterstützung brauchen. Zudem ist die Schwerbehindertenvertretung an allen Ausschüssen und Sitzungen des Betriebsrates und an den verschiedenen Ausschüssen der Arbeitgeberin beteiligt.

Also ein Fulltimejob?

Genau. Im SGB IX, das ist das Gesetz, nach dem wir arbeiten, ist festgelegt, dass ab 100 Mitarbeitenden mit Behinderung und Gleichstellung eine volle Freistellung gewährt wird. Meine Stelle ist so aufgeteilt, dass ich zur einen Hälfte Schwerbehindertenvertretung lokal und zur anderen Hälfte Konzernschwerbehindertenvertretung bin. 

Welche Bereiche umfasst Ihre Arbeit?

Standortübergreifend bin ich überall da zuständig, wo es keine örtliche Schwerbehindertenvertretung gibt. Gewählt werden kann diese erst, wenn fünf Menschen mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung im Betrieb tätig sind. Bewerbungsgespräche gehören da natürlich auch zu den standortübergreifenden Aufgaben. Die Teilnahme an Gesundheitsausschüssen ist örtlich und überörtlich obligat.

Welche Möglichkeiten werden Ihnen geboten, Ihre Arbeit weiterzuentwickeln?

Um als Beispiel hier in Bochum zu bleiben: Wir suchen gerade Kooperationspartner, um die Inklusion hier im Bergmannsheil noch besser gestalten können. Auch werde ich im März in Dortmund die Messe für Inklusionsbetriebe besuchen, um dort Tipps und Anregungen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung zu erhalten. Weiterbildungen und Seminare finden von Arbeitgeberseite immer Unterstützung. Wir haben auf Konzernebene mit allen Schwerbehindertenvertretungen im letzten Jahr zum Thema „Psychische Belastung“ ein gemeinsames Seminar besucht.

War das das erste Mal, dass Sie sich mit psychischen Belastungen am Arbeitsplatz beschäftigt haben? 

Das ist das Erkrankungsthema in Deutschland und nimmt immer mehr an Bedeutung zu, daher war es dringend notwendig, sich konzentriert damit auseinanderzusetzen. Was sind die Fälle, wo liegen dort die Schwerpunkte, was können wir gemeinsam für eine Strategie entwickeln? Dies waren alles Themen, an denen wir gemeinsam mit einer Psychologin in diesem Seminar gearbeitet haben. 

Wie hat sich Ihre Inklusionsarbeit in den letzten Jahren verändert?

Mit Abschluss der Inklusionsvereinbarung im Jahre 2021 ist ein großer Fokus auf dieses Thema gelegt geworden. Es gibt regelmäßige Austausche zwischen den Inklusionsbeauftragen der BG Kliniken. Bereits im letzten Jahr konnten wir gemeinsam drei Schulungen für Führungskräfte zum Thema Inklusion in den BG Kliniken anbieten, die jährlich weitergeführt und aktualisiert werden sollen. 

Was macht die BG Kliniken  im Rahmen gelebter Teilhabe besonders?

Der Auftrag der BG Kliniken ist es, Menschen mit Einschränkungen nach Unfällen zu behandeln. Wir leben Inklusion. Das macht unsere Arbeit nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für die Mitarbeitenden zu etwas Besonderem. 

Ute Martella bei einer Besprechung

Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Es gab unter anderem einen Fall von einem Kollegen hier aus Bochum, der an Multipler Sklerose erkrankt ist. In einem Bericht hat er darüber gesprochen, wie er dank der gemeinsamen Unterstützung der Arbeitgeberin und der Interessenvertretungen gut weiterabreiten kann. Diese und andere Erfolge bestärken mich in meiner Arbeit. 

Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?

Besonders stolz bin ich auf die abgeschlossene Inklusionsvereinbarung, sie gilt standortübergreifend und wird auch überall umgesetzt. Das war schon ein Highlight. Denn in dieser Vereinbarung ist eine Beschäftigungsquote festgelegt, die über die gesetzliche Regelung hinausgeht. Laut Gesetzgeber sollen ja bis 2030 5 % der Mitarbeitenden Beschäftigte mit Behinderung oder Gleichstellung sein. Mit der Inklusionsvereinbarung haben wir 8 % als Ziel in 2030 für alle BG Kliniken festgelegt. Das war auch ein Punkt bei den Verhandlungen, den wir nicht lange diskutieren mussten. Der Arbeitgeber war sehr offen und konstruktiv. In Bochum haben wir das bereits erreicht. 

Was muss noch getan werden, um Inklusion und Teilhabe weitervoranzubringen?

Inklusion muss insgesamt mehr gelebt werden. Jeder sollte dafür offen sein, nicht nur am Tag für Menschen mit Behinderung. Dies versuchen wir durch unsere Inklusionsvereinbarung zu erreichen. Die Schulungen unserer Führungskräfte war ein erster Schritt in diese Richtung. Denn für Inklusion braucht es Verständnis. 

Ute Martella bekleidete das Amt der Konzernschwerbehindertenvertretung der BG Kliniken bis Ende Februar 2023. Am 28.02.2023 wurde Michael Gottschlich in das Amt gewählt.