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Antigen-Tests

Neben dem Nachweis der SARS-CoV-2-Erbinformation mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) werden zukünftig auch sogenannte Antigen-Tests bei der Bestätigung einer Infektion eine wesentliche Rolle spielen.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) klare Ablaufprotokolle für die Testung auf eine vermutete SARS-CoV-2-Infektion entwickelt (BMG). Neben dem Nachweis der Virus-Erbinformation mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) werden zukünftig auch sogenannte Antigen-Tests (also der Nachweis von Eiweißen der Virushülle, insbesondere dem Spike-Protein) eine wesentliche Rolle spielen, da die Nukleinsäure-basierten Testmethoden national und international an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Auch in den BG Kliniken werden die mit den o.g. Behörden abgestimmten Teststrategien neben strikten Hygienemaßnahmen zukünftig Antigen-Tests für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Patientinnen und Patienten sowie Besucher beinhalten.

Zwei Begriffe tauchen immer wieder auf: 1. „point-of-care“ (POC), also eine diagnostische Maßnahme unmittelbar am Ort des Geschehens (z.B. in der Rettungsstelle oder auf der Intensivstation), idealerweise ohne komplizierte Vorarbeiten (Prä-Analytik) und mit kurzen Wegen sowie 2. „lateral flow test“ (frei übersetzt: „Fluss / Diffusion über eine Teststrecke“). Dies beschreibt ein diagnostisches Verfahren, bei dem eine Probe aus Körpersekret auf ein Testmedium aufgebracht wird und fließt, bis es auf dort aufgebrachte markierte Antikörper trifft und dort im Falle vorhandener Antigene eine Antigen-Antikörper-Reaktion auslöst (Sie erinnern sich an das Schlüssel-Schloss-Prinzip). Diese kann dann z.B. durch eine Farb-Reaktion sichtbar gemacht werden (klassisches Beispiel ist der „Schwangerschaftstest“, bei dem das im Urin ausgeschiedene humane beta Chorion-Gonadotropin [beta-hCG] nachgewiesen wird). 

Im Falle von SARS-CoV-2 werden durch Antigen-Tests Eiweiße des Virus (v.a. das Nukleoprotein N) detektiert - und die Liste der auch im europäischen Raum verfügbaren und mit der CE-Kennzeichnung versehenen Testkits wächst ständig (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte).

Für die Interpretation eines Testergebnisses bedarf es des Verständnisses der Begriffe der Sensitivität, Spezifität und der Prävalenz. Die Sensitivität beschreibt die Rate falsch-negativer Testergebnisse - ein perfekt sensitiver Test würde keine falsch-negativen Resultate liefern. Mit anderen Worten: Fällt der Test negativ aus, liegt die interessierende Erkrankung nicht vor bzw. kann sicher ausgeschlossen werden. In diesem Fall handelt es sich um einen sogenannten SNOUT-Test („Sensitivity is so high a negative test rules the diagnosis out”). Die Spezifität wiederum entspricht der Rate falsch-positiver Testergebnisse - ein perfekt spezifischer Test würde keine falsch-positiven Resultate liefern. Mit anderen Worten: Fällt der Test positiv aus, liegt die interessierende Erkrankung sicher vor. In diesem Fall handelt es sich um einen sogenannten SPIN-Test („Specificity is so high a positive test rules the diagnosis in”).

Die Beurteilung von Sensitivität und Spezifität hängt aber auch von der Häufigkeit der Erkrankung in der untersuchten Stichprobe (Prävalenz) bzw. dem individuellen Risiko (sogenannte Vortest-Wahrscheinlichkeit) ab. Stellen Sie sich vor, 1. ein(e) Proband(in) ohne Symptome erhält ein positives Testergebnis auf SARS-CoV-2, obwohl sie / er sich in den letzten Wochen nicht außerhalb ihrer / seiner Wohnung ohne jegliche Kontakte zu anderen Menschen aufgehalten hat und 2. ein(e) Proband(in) mit Husten, Fieber und Geschmacksverlust erhält ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2, obwohl sie / er Kontakt mit einem COVID-19-Patienten hatte. Im ersteren Fall würden Sie das positive Testergebnis anzweifeln und von einem falsch-positiven Ergebnis ausgehen. Im letzteren Fall würden Sie ein falsch-negatives Ergebnis vermuten.

Neben technischen Testcharakteristika und der Prävalenz hängt die diagnostische Aussagekraft auch stark vom korrekten Abstrichmaterial ab. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass ein nasopharyngealer Abstrich entnommen und für Antigen-Nachweisverfahren eingesetzt wird.  Abb. 1 gibt eine Übersicht der diagnostischen Genauigkeit (Sensitivität und Spezifität) der auf der BfArM-Homepage geführten und in Deutschland erhältlichen Antigen-Tests, zu denen auch Daten veröffentlicht wurden, welche die Berechnung von Vierfeldertafeln ermöglichten. Eine Limitation ist, dass die Genauigkeitswerte auf insgesamt kleinen Stichproben beruhen - im Median wurden lediglich 230 Proben untersucht.

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Abb1. Meta-Analyse der Sensitivität und Spezifität kommerzieller Antigennachweise von SARS-CoV-2 (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Berechnung mit Hilfe von Meta-DiSc 1.4 und 2.0 (Meta-DiSc).

Fazit

Die Spezifität praktisch aller verfügbaren Antigen-Tests liegt nach den bisher verfügbaren Daten bei 100 % - ein positives Ergebnis beweist damit das Vorliegen einer SARS-CoV-Infektion des Nasen-Rachen-Raums. Die gemeinsame Sensitivität beträgt 90 % bei einer Bandbreite von 80 bis 97 % - ein negatives Testergebnis schließt also eine SARS-CoV-2-Infektion nicht aus, insbesondere bei einer niedrigen Viruslast. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass durch Antigentests hochinfektiöse Patienten erkannt werden können. Es bedarf jedoch weiterer vergleichender Studien an einer deutlich größeren Anzahl an Patienten, um die Rolle von Antigentests im Rahmen der multiprofessionellen Hygienekonzepte der BG Kliniken im Einklang mit Vorgaben der nationalen Teststrategie endgültig festzulegen. 

(Stand: 03.11.2020)