Der Stellenwert der Sonikation für die Differentialdiagnose von Pseudarthrosen

Die Sonikation bietet als additive Diagnosemethode einen Mehrwert für die Differenzierung zwischen Infektpseudarthrose und aseptischer

Pseudarthrose

 

BG Unfallklinik Murnau

08.01.2024

K. Trenkwalder, S. Erichsen, F. Weisemann, P. Augat et al.

doi: 10.1186/s10195-023-00708-4. PMID: 37308767; PMCID: PMC10260706

 

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Was bisher bekannt ist

Nicht heilende Knochenbrüche (Pseudarthrosen) stellen eine häufige Komplikation nach operativer Frakturversorgung dar. Ein wesentliches Kriterium für das gezielte therapeutische Management ist die Frage nach dem Vorliegen einer bakteriellen Infektion, denn das therapeutische Vorgehen zur Behandlung von Infektpseudarthrosen und aseptischen Pseudarthrosen erfolgt nach unterschiedlichen Prinzipien. Die diagnostische Differenzierung ist nicht immer einfach, insbesondere wenn eine Low-Grade-Infektion vorliegt. Low-Grade-Infektpseudarthrosen präsentieren sich ähnlich wie aseptische Pseudarthrosen und werden durch niedrig-virulente Bakterien verursacht, welche Biofilme auf Implantatoberflächen bilden können und die Erreger in ihrer sogenannten sessilen Form praktisch unangreifbar gegenüber Antibiotika machen. Um Bakterien auch im Biofilm mikrobiologisch nachweisen zu können, besteht die Möglichkeit, diesen durch Sonikation in einem Ultraschallbad vom Implantat zu lösen. Der Nutzen der Sonikation für die Differentialdiagnose von Pseudarthrosen ist allerdings unverändert unklar.

Studiendesign und Resultate

In einer multizentrischen prospektiven Studie mit Beteiligung von acht BG Kliniken wurde das Osteosynthesematerial von 53 Patientinnen und Patienten mit aseptischer Pseudarthrose, 42 mit Infektpseudarthrose und 32 mit regelrecht verheilten Frakturen mittels Sonikation untersucht. Das Sonikat wurde einerseits direkt in einer Bouillon kultiviert, andererseits durch Membranfiltration konzentriert und die koloniebildenden Einheiten (KBE) nach aerober und anaerober Inkubation quantifiziert. Mithilfe einer Grenzwertoptimierungskurve wurde ein optimaler Grenzwert von ≥13,6 KBE / 10 ml Sonikat für die Differenzierung zwischen Infektpseudarthrosen und aseptischen Pseudarthrosen ermittelt. Der Grenzwert für die Unterscheidung zwischen Infektpseudarthrosen und regelrecht verheilten Frakturen lag bei ≥0,6 KBE / 10 ml Sonikat. Außerdem wurden die diagnostische Genauigkeit der Sonikation, der konventionellen Langzeitgewebekultur und der Histopathologie mithilfe von Kreuztabellen errechnet. Mit einer Sensitivität von 52 % und einer Spezifität von 93 % lag die Treffsicherheit der Sonikation mit anschließender Membranfiltration des Sonikats unter der der Gewebekultur (Sensitivität 69 %, Spezifität 96 %), jedoch über der der Histopathologie (Sensitivität 14 %, Spezifität 87 %). Bei der Betrachtung von zwei Diagnosekriterien, wie üblich in der Diagnostik von frakturassoziierten Infektionen, lag die Sensitivität für eine Gewebekultur mit dem gleichen Keim in der Bouillonkultur des Sonikats bei 55 % und war damit genau gleich wie für zwei Gewebekulturen mit dem gleichen Keim. Die Kombination Gewebekultur und der gleiche Keim in membrangefiltertem Sonikat zeigte eine Sensitivität von 50 %, diese konnte unter Verwendung des niedrigeren Grenzwertes auf 62 % gesteigert werden. Außerdem zeigte die Membranfiltration des Sonikats eine signifikant höhere Detektionsrate an polymikrobiellen Infektionen im Vergleich zur Gewebekultur und zur Bouillonkultur des Sonikats.

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Die Sonikation erwies sich als nützliche additive Methode für die Diagnose von Infektpseudarthrosen. Insbesondere die Membranfiltration des Sonikats verbesserte die diagnostische Genauigkeit. Diese bietet auch weitere Vorteile, wie eine kürzere Inkubationszeit und damit schneller vorliegende mikrobiologische Ergebnisse, sowie eine höhere Detektionsrate von polymikrobiellen Infektionen. Dies sind wichtige klinische Aspekte für eine frühzeitige Einleitung einer resistenzgerechten Antibiose. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen aber auch, dass die Trennschärfe der derzeit zur Verfügung stehenden intraoperativen Diagnosemethoden noch nicht zufriedenstellend ist. Um die Differentialdiagnose von Pseudarthrosen zu verbessern und zugrundeliegende Infektionen zuverlässig zu erkennen, ist weitere Forschung zu innovativen diagnostischen Ansätzen notwendig.