Intermittierende pneumatische Impulskompression zur Weichteilkonditionierung nach gelenkbeteiligenden Frakturen

Ergebnisse einer randomisierten Studie.

 

BG Klinik Ludwigshafen

21.04.2024

J.S. El Barbari, M. Schnetzke, M.B. Bergmann, L. Baumann et al.

doi: 10.1038/s41598-022-27231-6. PMID: 36635339; PMCID: PMC9837119.

 

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Was bisher bekannt ist

Posttraumatische Weichteilschwellungen nach Knochenbrüchen mit Beteiligung großer Gelenke (z.B. Ellbogen, Knie, oberes Sprunggelenk) sind Ausdruck einer lokalen Entzündungsantwort auf die äußeren Krafteinleitung und den inneren Druck aufgrund knöcherner Fehlstellungen. Sie verhindern oftmals die sofortige primäre offene Reposition und Osteosynthese – eine Operation in dieser Situation verbietet sich aufgrund des hohen Infektionsrisikos und der Unmöglichkeit eines spannungsfreien Wundverschlusses. Neben der geschlossenen Reposition und gegebenenfalls externen Fixation sind physikalische Maßnahmen wie Hochlagerung, Kühlung etc. etabliert, um den Weichteilmantel für die definitive operative Stabilisierung zu konditionieren.
Die intermittierende pneumatische VADOplex Impulskompression (IVT, OPED GmbH) bläst alle 20 Sekunden ein in der Handfläche oder Fußsohle platziertes Pad auf und generiert hierdurch einen Druck von 130 mmHg auf das Venengeflecht des Fußes bzw. 80 mmHg an der Hand. Dieser pulsatile Druck kann den rechten Herzvorhof erreichen und den Abtransport von Flüssigkeit (u.a. Weichteilödemen) aus der Peripherie fördern.
In einer randomisierten, unizentrischen Studie sollte geprüft werden, ob bei gelenknahen Frakturen eine IVT im Vergleich zu einer alleinigen Hochlagerung der betroffenen Extremität das Zeitintervall von der stationären Aufnahme bis zur Operationsfähigkeit reduziert.

Studiendesign und Resultate

Zwischen Juli 2016 und März 2019 wurden an der BG Klinik Ludwigshafen 392 Patientinnen und Patienten gescreent, 68 randomisiert und 66 ausgewertet (35 IVT, 31 ausschließliche Hochlagerung). Die Stichprobe umfasste 47 Frauen und 19 Männer mit einem mittleren Alter von 57 (SD 12) Jahren, von denen 40 (60 %) Frakturen der unteren Extremität erlitten hatten. Von diesen boten 26 (39 %) betroffene Frakturen des Tibiakopfes.
Teilnehmende in der Interventionsgruppe erhielten eine 15-minütige Einweisung in das VADOplex-System und sollten dieses präoperativ möglichst ohne Unterbrechung für mindestens sechs bis acht Stunden anwenden. In der Kontrollgruppe wurden die betroffenen Extremitäten (im Gipsverband) lediglich hochgelagert. Es erfolgte keine Eiskühlung. In der modifizierten Intent-to-Treat (ITT) Analyse erwies sich die IVT gegenüber der Kontrollintervention bei Frakturen der unteren Extremitäten als überlegen im Hinblick auf die mittlere Reduktion in der Zeit bis zur OP-Fähigkeit (2,5 Tage, 95 % Konfidenzintervall [KI] 0,7–4,3 Tage). Die galt jedoch nicht für die stationäre Behandlungsdauer (1,5 Tage, 95 % KI -2,9 bis 5.9 Tage).
Nach Frakturen der oberen Extremitäten konnte kein Vorteil der VIT gegenüber einer alleinigen Hochlagerung im Hinblick auf die mittlere Reduktion in der Zeit bis zur OP-Fähigkeit festgestellt werden (0,9 Tage, 95 % KI -1,6 bis 3,4 Tage).

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Die IVT könnte bei ausgeprägten Weichteilschwellungen nach Frakturen der unteren Extremitäten (insbesondere bei Kniegelenk-beteiligenden Verletzungen) eine sinnvolle Ergänzung zur Hochlagerung darstellen – insbesondere, wenn etwa eine Kühlung nicht toleriert wird oder nicht durchgehend sichergestellt werden kann. Es wäre interessant, in einer zukünftigen Studie zur Wirksamkeit der IVT auch eine Kühlung zu berücksichtigen. 
Die Ergebnisse dieses RCT legen nahe, dass die IVT die Zeit bis zur OP-Fähigkeit nach Frakturen der unteren Extremitäten im Mittel um 2,5 Tage im Vergleich zu einer alleinigen Hochlagerung reduziert- die nachberechnete Effektstärke d = 0,96 deutet auf einen klinisch hoch relevanten Effekt in einem Surrogat-Parameter hin. Es muss bewiesen werden, ob aus der verkürzten Zeit zwischen Aufnahme und Osteosynthese eine bessere Funktion und gesundheitsbezogene Lebensqualität im Langzeit-Follow-up resultiert.