Prothesentraining

Helfen Nerventransfers gegen Stumpf- und Phantomschmerzen?

Drei von vier Patientinnen und Patienten klagen nach Amputationen über so genannte Stumpf- oder Phantomschmerzen. Ein neues Forschungsprojekt am BG Klinikum Duisburg könnte nun einen Weg aufzeigen, um diese bisher fast unvermeidliche Schmerzproblematik bei Beinamputierten effektiv zu behandeln. Im Mittelpunkt der Studie steht ein vielversprechendes, innovatives OP-Verfahren, das bislang nur in der Unfallklinik und einer weiteren Klinik in Deutschland in größerem Umfang zum Einsatz kommt.

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10.11.2022

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Dieter Lohmann

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„Bei dieser Behandlungsmethode werden die im Beinstumpf verbliebenen Nerven, die für den Stumpf- bzw. Phantomschmerz verantwortlich sind, zielgerichtet auf andere Nerven umgeleitet. Diese Nerven sind für die Kontraktion von Muskeln zuständig, haben jedoch aufgrund der Amputation keine Funktion mehr“, erklärt Dr. med. Detlef Schreier, leitender Arzt der Sektion Periphere Nervenchirurgie am BG Klinikum Duisburg und ausgewiesener Spezialist für Nerventransfers im Hause. „Wir nennen dieses Verfahren ‚Targeted Muscle Reinnervation (TMR)‘“.

TMR verhindert „Aussprossen“ von Nervenfasern

Die TMR verhindert, dass die für die Schmerzsituation verantwortlichen Nerven nach der Durchtrennung übermäßig „aussprossen“ und erneut große, hochsensible Nervenknoten bilden. Diese lösen bekanntermaßen häufig bei Amputierten Stumpf-, aber auch Phantomschmerzen aus.

Die Forscher des BG Klinikums Duisburg untersuchen in dem neuen Projekt zusammen mit Kolleginnen und Kollegen um Dr. med. Jennifer Ernst von der Medizinischen Hochschule Hannover die Wirksamkeit dieser Methode. Nach Hand- bzw. Armamputationen kommt sie bereits erfolgreich zum Einsatz. „Unsere dreijährige wissenschaftliche Studie wird mit rund 380.000 Euro von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gefördert“, freut sich Dr. rer. nat. Tobias Ohmann, der Forschungsmanager am BG Klinikum Duisburg.

Patientinnen und Patienten gesucht

Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, müssen 30 bis 40 Patientinnen und Patienten in Duisburg und Hannover mit einer TMR versorgt und anschließend untersucht werden. „Beinamputierte mit Phantom- bzw. Stumpfschmerzen im Alter von 18 bis 60 Jahren können an der Studie teilnehmen. Interessenten melden sich bitte per E-Mail unter tmb[at]bg-klinikum-duisburg.de bei uns“, sagt Ohmann – einige Plätze sind noch frei. Im Rahmen der Exoprothesensprechstunde der Unfallklinik wird dann abgeklärt, ob die jeweilige Kandidatin bzw. der jeweilige Kandidat für eine Teilnahme an der Studie geeignet ist.

Weniger Schmerzen, mehr Lebensqualität

Bestätigt sich im Rahmen des Forschungsprojektes die Effektivität der Methode, könnte die TMR in Zukunft regelmäßig bei Phantom- und Stumpfschmerzen Beinamputierter zum Einsatz kommen. Für die Betroffenen wäre die Schmerzreduktion bzw. Schmerzfreiheit in vielfältiger Hinsicht ein beachtlicher Fortschritt. „Wenn die Betroffenen weniger Schmerzen haben, tragen sie ihre Beinprothesen häufiger“, sagt Regine Stelzhamer, Physiotherapeutin und fachliche Leitung der Gehschule/GangART am BG Klinikum Duisburg. „Sie nehmen dann aktiver am Leben teil und können vielleicht sogar wieder in ihrem Job arbeiten.“

Im Rahmen des Forschungsprojektes ist Stelzhamer u.a. für das Reha-Training bei den Beinamputierten und speziell für funktionelle Untersuchungen wie videobasierte 3D Ganganalysen verantwortlich. Diese geben Aufschluss über die Ausdauer, Muskelaktivität und Biomechanik während der Stand- und Schwungphase der Probandinnen und Probanden – und damit indirekt auch über die schmerzreduzierende Wirkung der TMR.

Wie misst man Schmerzen?

Doch wie können Forschende eigentlich sicher feststellen, dass die Amputierten nach der TMR dauerhaft weniger Schmerzen haben? „Im Rahmen der Studie kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz“, meint Schreier. „Dazu gehören u.a. ein Schmerztagebuch, detaillierte Untersuchungen und Befragungen durch behandelnde Ärztinnen/Ärzte sowie Therapeutinnen/Therapeuten, spezielle, standardisierte Fragebögen und vieles andere mehr.“

Das Forschungsprojekt könnte dazu beitragen, bei der bestmöglichen Versorgung und Rehabilitation von Beinamputierten ein gutes Stück weiter zu kommen. Regine Stelzhamer würde es freuen, die Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg zu begleiten: „Die Entwicklung zu sehen – vor allem, wenn das Lachen zurückkehrt –, ist für mich ein enormer Ansporn bei der Arbeit.“

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Dr. rer. nat. Tobias Ohmann (links), Dr. med. Jennifer Ernst (in der Mitte) und Dr. med. Detlef Schreier (rechts).

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TMR-Spezialist Dr. med. Detlef Schreier. (Bild: BG Klinikum Duisburg)

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„Es geht aufwärts!“ – Prothesentraining nach Beinamputation. (Bild: BG Klinikum Duisburg)

Pressemitteilung „Helfen Nerventransfers gegen Stumpf- und Phantomschmerzen?“